Ausgestrahlt von ERF Plus
in Bibel heute am 14.04.2019
Riesen Gefühlswellen kommen mir im Psalm 69 entgegen: Bedrohliche Wellen von Angst und Bange ums Überleben, von Frust, Ungerechtigkeit Selbstmitleid, Verzweiflung und Erschöpfung.
Aber dann kommen auch die Wellen der Hoffnung, der Zuversicht und des Vertrauens an Gott. Sie wiegen das Herz sanft und schenken ihm Frieden und ein neues Lied.
Der Psalm 69 gibt uns einen Einblick in die Seele eines Menschen, der Ungerechtigkeit und Verfolgung erlebt. Leider auch heute in unseren Tagen ein aktuelles Thema! Über 68 Millionen Menschen weltweit sollen auf der Flucht vor Unterdrückung, Gewalt und Krieg sein.
Ich sprach vor einiger Zeit mit einem jungen Flüchtlings-Ehepaar, das seine Heimat verlassen musste und mit einem Schlauchboot zu uns nach Europa kam. In dem Boot waren über dreißig Menschen, Männer, Frauen und Kinder. Mich hat es besonders berührt als sie erzählten, dass viele von diesen Menschen im Boot weinten. Und nicht nur Frauen und Kindern, sondern auch Männer.
Ich versuchte, mich in ihre Lage zu versetzen: Ich sitze in einem überfüllten Schlauchboot. Überall um mich herum sehe ich dunkles Wasser, das mich die Tiefe der See unter mir erahnen lässt. Ich spüre die Kraft des Meeres, das das Boot gefährlich zum Schaukeln bringt. Ich wage mich aus Angst kaum zu bewegen. Wasser schwappt über ins Boot. Mir ist schlecht und kalt. Viele weinen. Ich schließe meine Augen und bete, dass dieser Albtraum bald vorbei sein wird…“
„Rette mich aus dem tiefen Wasser, dass mich die Wasserflut nicht ersäufe und die Tiefe nicht verschlinge!“
Ich denke, diese Menschen können die Worte Davids im Vers 15 und 16 sehr gut nachvollziehen.
David hat auch Verfolgung erlebt. Geboren in einer einfachen Familie, ist er vom einfachen Hirten, über berühmten Krieger zum König Israels geworden, was Neid und Hass bei anderen geweckt hat. Bevor er selbst König wurde, hatte er viele Jahre auf der Flucht verbracht, weil König Saul von Israel, ihn als Rivalen sah und ermorden wollte. Die Isolation, die Ungerechtigkeit, die ihm widerfahren war, das Verstecken und die ständige Angst um sein Leben brachten David oft an sein Limit.
Und auch später als König hatte er mit Intrigen und Rebellion zu kämpfen gehabt, sogar innerhalb des Freunden- und Familienkreises. Wir sehen, David kannte sich mit Leid aus. Kein Wunder, dass er am Anfang dieses Psalmen zu Gott schreit:
„Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke in tiefem Schlamm. Ich habe mich müde geschrien!“
Im Vers 17-21 bittet David Gott um Erlösung. Dabei vertraut er darauf, dass Gott seine miserable Lage genau im Auge hat und findet Trost nicht bei den Menschen, die ihn im Stich gelassen haben, sondern in Gottes Güte und Barmherzigkeit.
Der Psalm 69 ist auch ein prophetischer Psalm. Das bedeutet, dass David in diesem Psalm sein eigenes Leid beschreibt, aber ohne es zu wissen, beschreibt er gleichzeitig auch das Leid eines anderen, der erst viele Jahre später auf dieser Welt leben würde. Auch er musste leiden. Gottes Sohn, Jesus Christus.
Einige Aussagen in diesem Psalm finden ihre Erfüllung im Neuen Testament in der Person von Jesus Christus:
„Sie hassen mich ohne Grund“, „um deinetwillen trage ich Schmach“, „ich bin fremd geworden meinen Brüdern“, „der Eifer um dein Haus hat mich verzehrt, und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen„.
Obwohl Jesus Christus den Menschen Gutes getan hat, haben ihn viele gehasst. Weil er Gottes Wille erfüllen wollte, ist er seinem Volk fremd geworden. Er hat Verachtung, Demütigung und noch viel Schmerz erfahren. Der Eifer, ja, die Liebe um Gottes Haus, um Gottes Volk, hat ihn verzehrt. Denn diese Liebe führte ihn schließlich zum Tod.
Die Aussage „sie gaben mir Galle und Essig“ im Vers 22 ist ebenfalls eine prophetische Aussage. Im Matthäus Evangelium (27,34+48) lesen wir, dass die römischen Soldaten Jesus dieses Gemisch aus Galle und Essig zum Trinken gaben, bei seiner Kreuzigung Jahre später.
Ab Vers 17 lesen wir: „Erhöre mich, HERR, denn deine Güte ist tröstlich; wende dich zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit und verbirg dein Angesicht nicht vor deinem Knecht, denn mir ist angst…“
Wir wissen aus dem Johannes Ev., wie groß die seelische Not von Jesus Christus im Garten Gethsemane gewesen ist. Er hat Gott seinem Vater auch um Erlösung gebeten, dass der Kelch vorüber geht, jedoch mit einem Unterschied zu diesem Psalm: „Doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!“ (Matthäus Ev. 26,39).
Und es gibt noch einen anderen gravierenden Unterschied.
Im Angesicht der Ungerechtigkeit, die ihm widerfährt, bittet David ab Vers 22, dass Gott seine Feinde und Verfolger bestraft!
Unter unvorstellbarem Schmerz und Leid am Kreuz bittet dagegen der Sohn Gottes: “Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“
Jesus Christus spiegelt Gottes Geduld und Barmherzigkeit wieder. Das hat sich bis heute nicht verändert. Immer noch hat Gott Geduld mit den Menschen und wartet, dass sie zu ihm kommen, um Vergebung ihrer Sünden zu finden und das Geschenk eines neues Lebens und eines ewigen Lebens zu erhalten. Neue Kraft und neue Hoffnung!
Aber David ist nur ein Mensch. Er lässt seinen Gefühlen freien Lauf. Die Last ist zu groß, als dass er sie noch lange tragen könnte und nun gibt es einen heftigen Hilfeschrei! Zugegeben, was da David sagt, lässt mich schlucken. Doch auch die unschönen Gedanken und Gefühle dürfen wir vor Gott offenlegen und ehrlich zugeben. Aber nicht zulassen, dass Groll und Bitterkeit uns beherrschen, denn das nimmt uns gefangen und macht das Leiden noch schlimmer. Vergebung aber, auch für die Feinde, hat die Macht zu befreien und auch zu heilen.
Durch den Psalm 69 lernen wir auch, wie wir aus dem tiefen, dunklen Loch der Trostlosigkeit und Bitterkeit zurück in das Licht der Hoffnung und Zuversicht finden.
Obwohl Gott noch nicht eingegriffen hatte und die Lage noch unverändert war, fing David ab Vers 31 bereits an, Gott mit einem Lied zu loben und ihm schon im Voraus zu danken. Damit brachte David ein Glaubensopfer, das Gott besonders schätzt und würdigt. Davids Haltung hat nicht nur ihm selbst geholfen, sondern auch anderen Menschen, die in Not und Leid lebten. Sein Vorbild gab ihnen Freude und ein Licht der Hoffnung. So ein Glaubensopfer, so ein Akt des Vertrauens an Gott, ist sicher nicht leicht. Das kann nur aus der Gewissheit der vollen Abhängigkeit von Gott dem Vater herkommen. Jesus hatte diese Gewissheit gehabt. Und die haben auch alle Menschen, die trotz Not, Leid und auch Verfolgung ihren Glauben nicht verlieren, sondern ausharren und Gottes Hand nicht loslassen.
Während seiner Zeit auf dieser Erde, sprach Jesus Christus von einer neuen Welt, die kommen wird, in der keine Not, kein Leid und kein Weinen mehr da sein wird. Und auch David beendet diesen Psalm mit den Worten: „Denn Gott wird Zion helfen und die Städte Judas bauen, dass man dort wohne und sie besitze. Und die Kinder seiner Knechte werden sie erben, und die seinen Namen lieben, werden darin bleiben“.
Mich bauen diese Worte auf! Gott wird einmal diese Welt, in der noch viel Ungerechtigkeit und Unheil herrscht, aufrichten und erneuern. Er wird das Böse endgültig vertilgen und die, die seinen Namen lieben, werden in Frieden und Harmonie leben. Ich möchte dazugehören.
Ich hoffe, Sie auch!